
MJF oder SLS: Welche 3D-Druck-Technologie eignet sich für was?
Im 3D-Druck gehören das Selektive Laser Sintern (SLS) und Multi Jet Fusion (MJF) zu den wohl am weitesten verbreiteten additiven Fertigungsverfahren für Polymere und Elastomere. Mit gängigen Materialien, beispielsweise PA12, lassen sich 3D-gedruckte Bauteile sowohl im SLS als auch MJF herstellen. Die Unterschiede und spezifischen Vor- beziehungsweise Nachteile der Verfahren lassen sich nicht auf den ersten Blick erkennen.
Kurze Übersicht
Der MJF-3D-Druck überzeugt, wenn:
| Bauteile mit einer höheren Oberflächengüte gewünscht sind
| Durchgefärbte Bauteile für Marketinganwendungen oder den Modellbau benötigt werden
| Kostengünstiger produziert werden soll
| Isotrope Festigkeit technischer Bauteile erforderlich ist
SLS-3D-Druck ist zu bevorzugen, wenn:
| Präzision der Bauteile im Fokus steht
| Durch eine breite Materialauswahl technische Eigenschaften gesichert werden sollen
| Größere Bauteile gedruckt werden sollen
Die Gemeinsamkeiten der additiven Fertigung mit SLS und MJF
Sowohl das Selektive Laser Sintern als auch Multi Jet Fusion verwenden thermoplastische Materialien, meistens Nylon, das in pulverförmiger Form schichtweise verschmolzen beziehungsweise gesintert wird. Aus dem pulverförmigen Ausgangsmaterial entsteht so ein festes Bauteil im Pulverbett. Ebenfalls benötigen beide Verfahren eine Wärmequelle. Beim SLS-Druck wird hierfür ein Laser eingesetzt, der Schicht für Schicht scannt und sintert, während bei einem MJF-Druck der Fusing Agent, eine wärmeleitende Flüssigkeit, auf die Pulverschicht aufgetragen und anschließend mittels Infrarotlicht mit der darunterliegenden Schicht verschmolzen wird. Der schichtweise Aufbau des 3D-gedruckten Bauteils ist eine weitere Gemeinsamkeit der beiden additiven Fertigungsverfahren. Und auch einen großen Vorteil teilen sich SLS und MJF-Druck: es sind keine Stützstrukturen beim 3D-Druck notwendig. So lassen sich auch komplexe Designs mit anspruchsvollsten Geometrien mühelos fertigen. Und das auch bei beweglichen, ineinander verzahnten Bauteilen, die sich mit beiden Technologien in einem Durchgang drucken lassen.
Die Gemeinsamkeiten im Kurz-Überblick:
| Material: Vorrangig PA12 und TPE/TPU
| Verbindung pulverförmiger Materialien in einem Pulverbett zu einem festen Bauteil
| 3D-Druck mit einer Wärmequelle
| Schichtweiser Aufbau der gedruckten Bauteile
| Keine Stützstrukturen notwendig
| 3D-Druck komplexer Designs und Geometrien möglich
| Druck von beweglichen, ineinander verzahnten Bauteilen in einem Durchgang
Die Unterschiede zwischen SLS und MJF-3D-Druck
Bei so vielen Gemeinsamkeiten gibt es natürlich auch technisch bedingte Unterschiede zwischen den beiden Verfahren. Die wichtigsten Unterschiede zwischen Multi Jet Fusion und Selektivem Laser Sintern sind:
| Materialauswahl
| Oberflächengüte
| Auflösung und minimale Wandstärken
| Festigkeit
| Farbgebung
| Fertigungsdauer
| Nachhaltigkeit
| Teilegröße
| Preis
Diese werden im Folgenden detailliert erläutert.
| Materialauswahl
SLS ist das deutlich ältere 3D-Druckverfahren. Entsprechend groß ist die Auswahl an verfügbaren Materialien, die für den Druck verwendet werden können. Polyamide, faserverstärkte oder glasgefüllte Verbundwerkstoffe, Polypropylen oder thermoplastisches Polyurethan (TPU): für die additive Fertigung mit SLS-Druckern gibt es unzählige Materialien mit ganz spezifischen technologischen Eigenschaften.
Anders sieht es bei MJF-Drucken aus. Das Verfahren ist noch nicht allzu lange im Einsatz, entsprechend klein fällt die Auswahl an verfügbaren Materialien für den Druck aus. Aktuell wird hauptsächlich Polyamid PA12 eingesetzt.
| Oberflächengüte
Bei der additiven Fertigung mit MJF-Druck kann das Schmelzen des Pulvers sehr fein gesteuert werden. Dadurch können trotz des schichtweisen Aufbaus sehr glatte Oberflächen auch ohne Nacharbeitung realisiert werden. SLS-gedruckte Bauteile sind auf der Oberfläche etwas rau. Hier gibt es die Option des chemischen Glättens, allerdings muss im Einzelfall geprüft werden, ob durch die Form der Nachbehandlung technische Eigenschaften beeinflusst werden. Nachbearbeitungen erhöhen zudem den Preis des gedruckten Bauteils.
| Auflösung und minimale Wandstärken
SLS bietet den materialabhängigen Druck von Merkmalen zwischen 0,75 mm und 1 mm, während der MJF-Druck kleinste Merkmale bis zu 0,3 mm erzeugen kann. D.h. kleine Details können in dieser Größe noch zuverlässig abgebildet werden. Allerdings muss hierzu gesagt werden, dass sich über den MJF-Druck zwar kleinere Details drucken lassen, das Selektive Laser Sintern jedoch in Sachen Genauigkeit leicht im Vorteil ist.
Die minimalen Wandstärken betragen 1 mm bei der Technologie SLS und 0,5 mm bei MJF. Diese müssen berücksichtigt werden für jedes Bauteil.
| Festigkeit
Beide Verfahren ermöglichen die Herstellung von Bauteilen für den Einsatz in technischen Umgebungen. Falls nahezu isotrope Bauteile, bei denen die Festigkeit in jeder Zugrichtung dieselbe ist, erforderlich sind, ist der MJF-3D-Druck die richtige Wahl. Durch die konsistente Fertigung entstehen Bauteile mit hohen mechanischen Eigenschaften. Jedoch bietet das Selektivem Laser Sintern eine weitaus größere Materialauswahl mit jeweils spezifischen mechanischen Eigenschaften, die je nach Anwendung passender sein können.
| Farbgebung
SLS-gedruckte Bauteile lassen sich problemlos in den unterschiedlichsten Farben einfärben, wodurch Bauteile in nahezu jeder beliebigen Farbe möglich sind. Bei MJF-gedruckten Teilen gibt es eine technisch bedingte Einschränkung. Hier ist der eingesetzte Fusing Agent schwarz, da dunkle Materialien Infrarotstrahlung deutlich besser absorbieren. Somit sind die Teile aus dem Drucker gräulich, im Innern jedoch durchgehend schwarz.
Wichtig zu wissen: MJF kann auch in Vollfarbe gedruckt werden. Das macht das Verfahren besonders für Anschauungsmodelle, Modellbau-Anwendungen oder für den Werbe- und Marketingbereiche besonders interessant.
| Fertigungsdauer
Der Druckvorgang ist bei der additiven Fertigungstechnologie MJF schneller, da bei jeder Pulverschicht alle Teile im Druckraum gleichzeitig verarbeitet werden. Beim SLS 3D-Druck müssen alle Formen mit dem Laserstrahl „nachgezeichnet“ werden pro Schicht. Auch in der Serienfertigung liegt Multi Jet Fusion vorne, denn mit diesem Verfahren können mehrere Bauteile parallel gedruckt werden.
Nebst der Produktionsgeschwindigkeit ist auch die Auslastung der Drucker relevant für die Lieferfrist. Die Lieferzeiten eines Bauteils werden auf der 3D-Druckplattform sofort nach dem Hochladen einer 3D-Druckdatei angezeigt.
| Nachhaltigkeit
Ein wichtiges Thema im Bereich der additiven Fertigung ist die Recyclingquote des übrig gebliebenen Pulvers nach einem 3D-Druck. Da Kunststoffe aus fossilen Rohstoffen hergestellt sind, ist das Recycling relevant, um die Fertigung möglichst nachhaltig zu gestalten. Beim SLS-Druck können rund 30 – 50 % des pulverförmigen Materials nach einem Druck wiederverwendet werden, wohingegen beim MJF-Verfahren bis zu 80 % des Pulvers recycelt werden kann. Somit gestalten sich auch die Materialkosten günstiger.
| Teilegröße
In Sachen Größe der zu fertigenden Bauteile liegt das Selektive Laser Sintern mit einer Maximalgröße von 680 x 380 (oder grösser) x 560 Millimetern deutlich vor Multi Jet Fusion, das bei 380 x 284 x 380 Millimetern am Limit ist. Allerdings liegt MJF vorne, wenn es um kleine Bauteile geht. MJF-Drucke können mit Mindestmaßen ab 0,5 Millimetern hergestellt werden, bei SLS-Drucken geht es „erst“ ab 0,8 Millimetern los.
| Preise
Wenn es um die additive Fertigung von Einzelteilen geht, sind bei beiden Verfahren ähnliche Kosten pro Bauteil zu erwarten. Tendenziell kann der MJF-Druck durch seinen Zeitvorteil und bessere Mischverhältnis von Alt- und Frischpulver auch einen Kostenvorteil mit sich bringen. Dies ist aber nicht pauschal zu beantworten.
Fazit
Bereits seit Mitte der 1980er Jahre wird das Selektive Laser Sintern bereits für den 3D-Druck eingesetzt und kann ohne Übertreibung als einer der Veteranen der additiven Fertigung bezeichnet werden. Deutlich jünger ist das von Hewlett-Packard entwickelte Multi Jet Verfahren, das erst seit 2016 im industriellen Bereich verwendet wird. Das beide Verfahren gleichberechtigt nebeneinander koexistieren, liegt an den teils deutlichen Unterschieden. Denn bei allen Gemeinsamkeiten – Druck von pulverförmigen Materialien, Einsatz von Wärmequellen, schichtweiser Aufbau der Druckteile – haben beide Verfahren auch ganz spezifische Vorteile.